Mittwoch, 15. August 2007Angefangene Geschichten...
Seltsam, gerade habe ich eine Geschichte gefunden - auf einer alten DVD-Rom - , die ich mal vor 5 Jahren anfing.
Seltsam, weil ich so gar keinen wirklichen Bezug zu ihr aufbauen kann. Weiter als übers Intro bin ich nicht gekommen. Doch lest selbst, um die Langeweile der letzten Monate zu überbrücken: Die Klinge des Vampirs Es ist März. Ein seltsamer Frühling erstreckt sich über die uralte dunkle Industriestadt. Die Vögel zwitschern, es ist warm. Schneeflocken fallen friedlich zu Boden, es wird kühler. Kühler und grausamer. Das Gezwitscher erstirbt, die Vögel sind von einem Moment zum nächsten hinfort getragen, von einer unsichtbaren Macht, einem dunkelgrauen Schleier. Die Schneeflocken scharren sich zu drohenden Fetzen zusammen. Die eben noch friedliche und zarte sanft weiß schimmernde Decke birst klagend und wird von einer grellhellen unheilbringenden Fläche zerschlissen. Im fahlen Mondlicht nähert sich ein Schatten, schwillt an und wächst zu voller Größe. Tiefrot ist die Spur, die das Wesen hinter sich her zieht. Es blitzt drohend in der Finsternis, als die letzten Strahlen eines sterbenden Mondes auf den blanken Stahl treffen. Ein mächtiges Schwert hebt sich langsam über den Kopf der nächtlichen Erscheinung. Von seiner Spitze rinnt das reine Blut der Schuld. Sobald ein Tropfenfaden den grellen Schnee anrührt, zischt hastend ein Todeshauch auseinander und verharrt als Nebelschleier, dicht an den Boden gepresst, um auf Geheiß der Gestalt in einen grausamen und unbarmherzigen Feldzug zu ziehen. Die Gestalt verharrt. Ein imposantes Monument verschmilzt mit der Nacht. Unerkannt und unbeschreiblich. Im Rücken der Statue schwebt elegant ein unscheinbarer Schatten heran. Die Flügel der Fledermaus durchschneiden wie Schwertklingen die gespannte Luft. Sanft und lautlos landet sie neben dem mächtigen Standbild, richtet sich langsam zu voller Größe auf. Ein ebenso imposantes und unbesiegbares Monument. Trotzdem zierlich und von einer grausamen Schönheit, der schon ganze Menschenmassen zu Opfer gefallen sind. Ein spöttisches Lächeln umspielt ihre Lippen, die klaren stechenden Augen schweifen in die Ferne, während ihnen ein rötliches Flackern entströmt. Der trügerisch sanfte Wind spielt mit der Schleppe des langen glänzend schwarzen Umhangs. Stille. Schwarze schwere Stille umgibt die machtvollen Statuen. „Ist es vollbracht?“ Ihre Stimme ist sanft und zugleich unerbittlich, gnadenlos. „Es ist vollbracht. Es ist angerichtet. Der Morgen graut und doch verbirgt sich der Tag.“ Unendlich langsam wenden sich die grausamen Nachtgeschöpfe einander zu. Ein blutrotes Leuchten erfüllt den Horizont, doch die Sonne verharrt, wagt nicht den Aufstieg zum Zenit. Der undurchdringlich tiefschwarze Schleier der Finsternis löst sich von seinem Gesicht und das blutige Licht gibt die tiefen Furchen preis, Zeugnisse ewiger Schlachten, Preis der Unsterblichkeit. Doch seine Augen sind ungebrochen. Sie drohen in einem vollkommenen Blau, hell, wachsam und unendlich sanft. Während die abgrundtiefe Schlucht zwischen den unnahbar majestätischen Wesen dahin schmilzt, entladen sich Legionen von gleißenden Blitzen im mächtigen Donnergrollen, bis sie zu einer noch mächtigeren Einheit verschmelzen. Erneute Stille, bis drei mächtige Worte in der reinen Verschmelzung wie ein Orkan losbrausen, die kein Mensch je verstehen könnte. Ein blendender gigantischer Feuerball umhüllt die Fusion der Vampire. Die Dunkelheit sinkt zurück auf das Schlachtfeld. Dort, wo eben noch das Zweigestirn in inniger Legierung verharrte, erstreckt sich nun ein weiter See, angefüllt mit dem Blut der Schuldigen, deren Wimmern tief aus dem Grund emporsteigt. 1978 war sein Geburtsjahr. Wie das all der Gleichaltrigen, der Vierteljahrhundert-Menschen. Und doch war sein Alter von dunklen Geheimnissen umrankt. Er wuchs inmitten der Menschengesellschaft auf, verhielt sich wie einer der ihren. Viele kannten ihn. Doch wurden sie gefragt, wer er sei, woher er kam, verblassten alsbald die Erinnerungen an ihn. Sie glaubten, er sei wie sie, doch wussten sie, dass dem nicht so war. Er gehörte dazu, war doch ein Fremder. Ein Heimatloser. Ein Suchender. Fragte man ihn selbst, wer er glaubte zu sein, gab er stets die eine Antwort: „Ich bin die Welt!“ Und fragte man ihn weiter, woher kam, antwortete er: „Mein Vater ist das Licht, meine Mutter ist die Finsternis, und ich bin der ewige Schatten.“ Man gab sich zufrieden mit seinen Antworten, denn sie existierten nur für den Moment, in dem ihr Laut seine Seele verließ, um im Geist des Fragenden sofort zu verbleichen, zu sterben und die Verdammnis auszusäen, dass, wann immer er seine Opfer riefe, sie ihm eine untote Armee sein würden. Auf eine Frage gab er nie eine Antwort, sondern kauerte unter seinem Mantel des Schweigens. Denn sein Alter konnte er nicht preisgeben. Es war eine Kleinstadt. Am Meer. Ruhig, friedlich, gelassen. Kleine ehrliche Leute, harmlos. Er war einer von ihnen. Nichts unterschied ihn. Er tat dasselbe wie alle, nie ein Außenseiter. Er war sogar die Mitte. Am Tag. In der Nacht jedoch tat er es ihnen nicht gleich. Er ging nicht zu Bett, um wie alle erschöpft und zufrieden zu entschlummern. Seit seiner materiellen Geburt hatte er keine Nacht ein Auge zugetan. Stattdessen durchstreifte er die weiten Wälder und Wiesen im Mondschein. Immer auf der Suche. Nach was? Er wusste es nicht. Er war getrieben, hektisch, fahrig, ebnete sich seinen Weg durchs Unterholz. Jedoch, wenn der Vollmond in der Nacht die Herrschaft der Finsternis verhinderte, erfüllte ihn eine tiefe und tote Ruhe. Diese Nächte im fahlen Licht verbrachte er stets auf der gleichen Lichtung, tief im Wald, verborgen für die Menschen. Denn er wusste, hier würde er eines Tages die Antwort auf die Frage finden, wie alt er war. Und die Antwort, was er suchte. So gingen die Jahre ins Land. Die Jahreszeiten wechselten sich ab. Menschen starben, neue Menschen wurden geboren. Und er war mittendrin. Unauffällig. Fast schon verborgen. Nun verhielt es sich so, dass die Menschen in seiner Umgebung dem Erreichen des 18. irdischen Lebensjahres eine besondere Bedeutung zumaßen. Als käme es genau auf diesen Zeitpunkt an, dass man vom unschuldigen Kinde in einer grausamen Metamorphose zum schuldbeladenen Erwachsenen mutierte. Dem war natürlich nie so, die Kinder waren am Jahrestag ihrer Geburt noch die gleichen Menschen wie tags zuvor. Jedoch nicht so bei ihm. In jener Herbstnacht tobte ein gewaltiger Gewittersturm. Da es Vollmond war, hielt er sich auf seiner Lichtung auf, dieses Mal von einer unheiligen Spannung erfasst. Kurz nach Mitternacht, es war genau zu der Zeit, an der er 18 Jahre zuvor das Licht der Welt erblickt und sein menschenähnliches Dasein angetreten hatte, kämpfte sich ein mächtiger Vollmond durch die Wolken, bis er das gesamte Firmament über der Lichtung ausfüllte. In seiner Mitte wuchs ein kleines Geschöpf, bis seine Flügellänge dem Durchmesser des Himmelkörpers entsprach. Es war keine irdische Fledermaus, sie stammte aus einer anderen Welt, in der weder Dunkelheit noch Licht existieren durften. In dem Moment als das Ausmaß des Schattens passgenau den Umriss der Lichtung ausfüllte, donnerte eine gewaltige Stimme durch die Nacht: „Du bist die Welt. Du bist der Sohn des Lichts und der Finsternis. Du bist der ewige Schatten, der die Menschheit in der Nacht bedeckt. Heute Nacht empfängst Du Deinen Namen. Steh auf, Nikodemus!“ Nikodemus erhob sich langsam und bedächtig, blickte starr in den Schatten der Fledermaus. „Wie alt bin ich?“ „Du bist so alt wie der Wind. Du bist so alt wie das Feuer. Du bist so alt wie das Wasser.“ „Wie alt?“ „Du hast kein Alter. Du warst immer da, Du bist fernab jeder Zeit, denn Du bist die Zeit, Du bist das Alter. Du bist ewig. Ohne Anfang, ohne Ende. Du bist die Welt, Erbe von Licht und Finsternis.“ „Wonach suche ich?“ Schlagartig verschwand der mächtige Schatten, und Nikodemus wurde in den Umhang des gleißenden Mondlichts gehüllt. Er hielt dem grellen Schein stand, während sich seine Augen zu verändern begannen. Ihr fahles Grau wich einem stechenden hellen Blau, wie das jener Gebirgsseen fernab jeder Menschenbehausung, die für ewig unentdeckt bleiben müssen. Ein sanftes Leuchten tief aus seiner Seele ging von ihnen aus und entflammte zu einem eisigen Strahl, der den Mond genau in seinem Ursprung durchdrang, ihn zum Bersten brachte, in einer imposanten Explosion. Plötzlich Finsternis, bis auf den stahlblauen Lichtstrahl der senkrecht von der Lichtung in den Himmel ragte. „Du suchst nach mir!“ Die sanfte, durchdringende, jedoch keinen Widerspruch duldende Stimme traf Nikodemus mitten ins Herz, zerriss es in zwei Hälften. Das Wesen, das sich vor ihm aufrichtete, war die Schönheit. Die Vollkommenheit. Gleichzeitig der Tod und das Leben. Sie war die Liebe. Nikodemus konnte sie nicht sehen, denn da sie die Schönheit und die Vollkommenheit war, blendete sie sein Augenlicht. Sinnlich hob sie ihre zierliche Hand und legte sie auf seine Brust. Dort verharrte sie für einige Augenblicke, bis sie tief in seinen Körper eindrang und die Hälfte seines geborstenen Herzens unendlich langsam herauszog. „Das gehört mir, denn ich selbst habe danach gesucht.“ Sie öffnete eine kleine Kiste aus purem Silber und verbarg Nikodemus’ halbes Herz auf dem roten Samt. „Nikodemus, Du wirst jetzt Dein Schwert empfangen. Es wird Dir für sieben Jahre ein Freund sein, Dein Verbündeter, Dein Vertrauter! Du wirst Blutschuld auf Dich laden, Du wirst töten, Du wirst grausam die Menschen dahinschlachten. Du wirst die Welt mit Vernichtung überziehen, denn Du bist die Welt und Du bist die Vernichtung. In sieben Jahren werde ich zurückkehren, und wir werden zusammen unsere Herrschaft des Lichts und der Dunkelheit, der Liebe und des Hasses, des Lebens und des Todes errichten. Bis in alle Ewigkeit!“ Sie näherte sich mit bedächtigen Schritten und blieb direkt vor Nikodemus stehen. Langsam näherten sich ihre Lippen den seinen, damit er nun den Kuss des Todes und der Liebe empfangen konnte. Langsam öffnete sich sein Mund und legte sich auf den ihren. Zart suchte seine Zunge den Weg in ihre unendliche Tiefe. Und sie biss zu. Das Blut füllte ihre Münder, während sie in einem ewigen Kuss verharrten. Schließlich stieß sie ihn hart von sich auf die Erde. Sie setzte ihren Fuß auf seine Brust und jetzt konnte er sie sehen. Sie war zu schön, um dafür Worte finden zu können. Das Blut rann aus ihrem leicht geöffneten Mund, den ein leichtes sanftes Lächeln umspielte. Die Grausamkeit ihrer Augen wich einer verletzlichen Zerbrechlichkeit, während sie auf ihn niederblickte, tief in seine noch immer stark leuchtenden eiskalten Augen. „Nikodemus, ich bin die Liebe!“ „Ich liebe dich“, antwortete der am Boden verharrende Nikodemus mit fester harter Stimme. „Ich liebe dich!“ Ihre Stimme klang sanft, weich und unendlich müde. Während sie das sagte, verblasste das Bild der vollkommenen Schönheit vor seinen Augen, bis sie eins wurde mit der Nacht. Langsam richtete sich Nikodemus auf. Er hob das Schwert auf, das neben ihm im Moos lag, und richtete es in den Himmel. „Es beginnt, und es wird sieben Jahre andauern! Ich werde Verderben bringen über die Welt, denn ich bin die Zerstörung, und ich bin die Welt!“ Erste Sonnenstrahlen griffen nach dem Schwert, das sie in eiskaltes Licht zerbrach, während von seiner Spitze drei Blutstropfen auf die Erde schlugen. Ihre Einschläge hallten drohend durch die Nacht, als Vorboten des Schreckens und des Todes. So legte sich in dieser Nacht, am 12. September des Jahres 1996, eine dunkle ewige Wolke über die Welt und wich sieben Jahre nicht. Er war der letzte Passagier. Die Männer in den Öljacken warteten, bis er die Gangway passiert hatte, um die alte Fähre loszumachen. Er trug seinen schwarzen langen Ledermantel – er redete sich ein, ein Vampir müsse so etwas tragen, schließlich hatte er das während seines Filmstudiums in verschiedenen Lichtspieltheatern gelernt. Eigentlich war dieses Kleidungsstück recht praktisch, verbarg es doch gut sein tödliches Schwert, das er stets am Rücken trug. So stand er hinten an der Reling und starrte auf das unter ihm tobende Meer. Der Wind durchfuhr sein hellblondes Haar, das in der stechenden Sonne wie ein tobender Feuerball auf seinem Kopf tanzte. Dazu der sich aufbäumende Mantel – ein klassisches Bild, eine Reminiszenz an Hollywood, redete er sich ein – und fühlte sich verdammt wohl. Die wenigen anderen Passagiere wichen ihm aus, da ihn etwas Unheilbringendes umgab. Die Überfahrt auf die kleine Insel dauerte knapp eine Stunde. Als das Schiff angelegt hatte, war seine Silhouette die einzige, die es verließ. Erst lange Minuten später wunderte sich der alte Hafenmeister, warum sich nichts auf der Fähre regte. Er und sein junger Assistent standen noch Tage danach unter Schock – solch ein Blutbad war selbst für den ehemaligen Hochseekapitän unerträglich. Die Leichen baumelten an den Befestigungen, die von der Decke des Autodecks hingen. Ohne Köpfe. Männer und Frauen. Und Kinder. Mit den Halsstümpfen nach unten aufgeknüpft, damit sie besser ausbluten konnten. Die Köpfe der unschuldigen Opfer wiegten leicht im Wind – auf den Spitzen der Fahnen- und Antennenmasten. Die unendliche Spur des Grauens hatte hier ihren Anfang. Und doch wusste Nikodemus nicht den Grund, warum er diese Insel aufsuchte. Die Nacht brach an, und Nikodemus suchte sich eine Schlafstätte unter einem alten Anleger im kühlen Sand. Er deckte den Mantel über sich und verschwand als unsichtbarer Schatten in der Dunkelheit. Doch kurz nach Mitternacht erwachte er aus einem seltsam traumlosen Schlaf. Er blickte auf das Meer. Eine Silhouette zeichnete sich am Horizont gegen den untergehenden Vollmond ab. Die Erscheinung schritt langsam und majestätisch über das Meer, bis sie den Strand betrat und vor Nikodemus stehen blieb. Doch war das Gesicht im Gegenlicht für Nikodemus nicht erkennbar. Dennoch hatte er das Gefühl, eine tiefe Verbindung mit dem Fremden zu spüren. „Erkennst du mich, Nick?“ fragte eine raue kalte Stimme. „Nein, wer bist du?“ „Ich bin hier, um dich zu warnen. Ich bin der, der die Zweifel in deiner Seele sät. Nichts ist, wie es dir erscheint. Deine Wahrheit ist eine Lüge. Die, die dich geschickt hat, ist nicht die, für die du sie hältst. Sie ist nicht die Liebe, und sie ist nicht der Hass. Wer sie ist, kann ich dir nicht sagen, denn es ist uns allen verborgen. Denn vielleicht existiert sie nur in dir. Nichts, was sie sagt, ist wahr. Es werden keine sieben Jahre vergehen, sie wird vorher zurückkehren. Doch sind ihre wahren Beweggründe verborgen. Will sie zusammen mit dir herrschen? Ich weiß es nicht. Liebt sie dich? Ich weiß es nicht – und du kannst es auch nicht wissen. Sie weiß es selbst nicht. Ich weiß, dass deine Gefühle, dein Handeln wahrhaftig sind – du verbirgst nichts, und das ist deine Stärke. Sie werden versuchen, dich zu verfolgen, zu quälen, ja zu töten. Doch werden sie nur deinen Körper vernichten, deine Seele hast du unverwundbar gemacht. Traue niemandem! Nicht einmal dir selbst! Was du tust, tust du nur für dich. Du bist niemandem Rechenschaft schuldig. Niemand hat das Recht, dir Aufträge zu erteilen, dir deine Bestimmung zuzuteilen. Du wirst erkennen!“ Schlagartig verschwand der Mond hinter einer schwarzen Wolke, mit ihm die Gestalt. Und Nikodemus begann zu verstehen. Er kannte die Gestalt mehr als alles andere. Er war sich selbst begegnet. Und die Zweifel begannen zu sprießen. Er richtete sein Schwert gen Himmel und betrachtete die fahle Klinge. Nikodemus war sich seiner Liebe bewusst. Er hatte sie stets tief in sich gepflegt, sorgsam gehütet und sie vor den Grausamkeiten des Lebens verborgen gehalten. Nun hatte sich das geändert – er spürte, dass er kompromisslos liebte, dass er SIE kompromisslos liebte. Und gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass sie seine Reinheit nicht teilte. Er hatte es auf der Lichtung gespürt, als sie ihm sein halbes Herz stahl. Denn für den Bruchteil eines Augenblicks konnte er in sie hineinsehen. Und er sah Schreckliches. Er sah andere, die ihr Schwert empfingen. Er spürte ihre Liebe für die, die vor ihm waren – und sie war rein. Doch richteten die Ausgewählten stets das Schwert gegen die Liebe und töteten sie viele Male auf grausame Weise. Darum war auch Nikodemus der erste, dessen halbes Herz sie herausriss, um von ihm nicht verwundet zu werden. Sie hatte die Macht, ihn stets elendig zugrunde gehen lassen zu können. Doch liebte er sie – vollkommen, rein und aufrichtig. Und Nikodemus wusste, dass er sterben würde. Nikodemus erhob sich, das Morgengrauen griff nach ihm. Ein seltsames Gefühl von Freiheit ergriff ihn, denn er hatte seinen ersten Entschluss gefasst. Er würde sie rächen, er würde ihre Mörder zur Rechenschaft ziehen und mit der Härte seines Schwertes gerecht strafen. Er hatte in die Fratzen der Peiniger geblickt und würde sie aufspüren. Und nun wusste Nikodemus, warum es ihn auf diese Insel verschlagen hatte. Hier würde er den finden, der die tiefsten Wunden in ihre unsterbliche Seele geschlagen hatte. Reinster Hass nahm Besitz von Nikodemus. Er betrachtete erneut sein Schwert. Er legte die Klinge an seinen Hals und ließ ihre gesamte Länge mit leichtem Druck über seine Haut gleiten. Blut spritzte aus seiner Halsschlagader, die er sofort durchtrennt hatte. Der weiße Sand unter ihm färbte sich dunkelrot und begann in einer seltsamen Hitze zu kochen. Flammen züngelten um Nikodemus, bis sie ihn komplett einhüllten. Plötzlich zuckte ein gleißender Blitz aus dem Himmel und löschte das Feuer. Nikodemus betrachtete sein Spiegelbild in der rotgefärbten Klinge. Von der tiefen Schnittwunde am Hals zeugte nur noch eine lange Narbe. Nikodemus seufzte, denn ihm wurde schmerzlich bewusst, dass seine Freiheit nur eine Illusion war. Also machte er sich auf die Suche nach seinem Opfer. Und er fand ihn schnell. Sie nannten ihn Kasi. Er war durchaus beliebt, denn er war freigiebig, gesellig und hilfsbereit. Nikodemus traf ihn in einer eleganten Bar. Er saß mit einigen Freunden an einem runden Tisch in einer kleinen Nische. Nikodemus setzte sich direkt an die Theke und konnte die kleine Runde durch einen Spiegel betrachten. Kasi machte auf ihn einen überraschend aufrichtigen, sanftmütigen Eindruck. Als könne er keinem Tier etwas zuleide tun. Er hörte seinen Freunden aufmerksam zu, gab ihnen das Gefühl, an ihnen ehrlich interessiert zu sein. Mit der Zeit verließ einer nach dem anderen das Etablissement, bis Kasi allein saß. Er blickte nachdenklich in sein Glas. Und dann schaute er direkt zu Nikodemus. Dieser wich seinem Blick aus und wandte sich seinerseits seinem Getränk zu. Doch Kasi erhob sich, um sich auf den Hocker neben Nikodemus niederzulassen. „Sie beobachten mich schon den ganzen Abend. Was kann ich für Sie tun?“ fragte eine angenehm sanfte Stimme. Nikodemus schwieg. „Mein Name ist Kasi. Ich hoffe, Ihnen nicht zu nahe zu treten, aber ich bin ein wenig irritiert und wollte mich nur erkundigen, ob alles in Ordnung ist.“ Nikodemus verspürte einen starken Unwillen. Dieser Typ war verdammt freundlich. Er war das personifizierte Gute. Und er hatte dazu noch Stil. „Darf ich Sie auf einen kleinen Spaziergang einladen, dann zeige ich Ihnen die Insel!“ Nikodemus nickte schweigend, legte ein paar Münzen auf die Theke und folgte Kasi. So gingen sie nebeneinander her, während Kasi erzählte. Er hatte eine kleine Rehabilitations-Klinik für todkranke Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen gegründet. Ihm lägen besonders diese am Herzen, da sie das letzte Glied der Gesellschaft seien. Irgendwann reichte es Nikodemus. Er blieb stehen, auch Kasi verharrte in seiner Bewegung und sah sein Gegenüber überrascht an. Und Nikodemus schlug ihm kräftig in die Fresse. Kasi knickte ein und blieb bewusstlos liegen. Nikodemus schlug seinen Mantel zurück, zog sein Schwert und hob es drohend über den vor ihn Liegenden, um zuzustechen. Doch plötzlich lähmte etwas seine Bewegung. Sie stand vor ihm und verdeckte schützend ihren einstigen Mörder. „Du darfst ihm nichts tun!“ „Warum? Er hat dich getötet!“ „Er ist ein guter Mensch! Er hat mich nicht willentlich getötet! Er ist von Grund auf gut, und ich habe ihm eine Menge zu verdanken! Töte ihn nicht!“ Nikodemus spürte den stechenden Schmerzen tief in sich. Sie schützte ihren Peiniger. Sie schützte den Menschen, unter dessen einstigen Taten er nun selbst zu leiden hatte. Er sah in ihre Augen, die nun sehr müde wirkten. Langsam ließ er das Schwert sinken. „Wie kann ich dir vertrauen?“, flüsterte Nikodemus. „Vertrauen ist Schwäche!“ Ihre Worte fielen wie Eisklumpen auf den Sand. Nikodemus drehte sich langsam um und schritt davon. Er blickte sich um und sah, wie sie sich über ihren Mörder beugte und ihm sanft über die Stirn strich. „Ich werde ihn töten!“ schwor sich Nikodemus leise, bevor er die Insel verließ. Kommentare
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ich finds super! ;P
#1
Ema
am
15.12.2009 13:35
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KommentareMi, 13.03.2013 07:34
leider geil!!!
Fr, 09.11.2012 07:37
Hallo Herr Nilsen,
da ich d
ie Bande auch schon kennenlern
en, und mit ihren eigenen Mitt
eln erfolgreich schlagen [...]
Fr, 05.10.2012 15:27
ist das geil!!!!!!
XD made my
day!
Freue mich grad n bis
chen, nicht zum St.Pauli-Cente
r zu müssen und bange gl [...]
Sa, 21.04.2012 22:12
Du solltest deinen Kopf mal ei
ner gründlichen Untersuchung b
eim Spezialissten unterziehen!
Was du alles mit "Nazis [...]
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